Die Band Vaccine aus München hat gegenüber anderen Newcomern einen großen Vorteil: Sie wirken nicht wie Anfänger, sondern vermitteln zu jeder Zeit und in allen Facetten ihres Tuns ein durchdachtes Konzept. Von der professionellen Technik und Gestaltung der bandeigenen Webseiten, über Video-Teaser, Aufkleber, Pressefotos, bis hin zu einer festen Vorstellung von Corporate Design reicht die Band-Identität. Zwar ist die selbstproduzierte EP "We're Going Places" ihre erste richtige Veröffentlichung, aber die Band konnte 2006 immerhin schon den "Stadt-Land-Rock" Wettbewerb des Tollwood und der Süddeutschen Zeitung gewinnen.

Auch musikalisch vertreten Vaccine einen festen Standpunkt. Durch eine kompromisslose Vertonung der dunklen Seiten des Lebens, lassen sie den Zuhörer an ihren intensiven und introvertierten Klangwelten teilhaben. Der qualvoll-klagende Gesang von Sänger Jona wird dabei von Arrangements aus dezenten Piano-Parts und leichten Gitarren-Arpeggios unterstützt. Diese getragene Grundstimmung wird im Verlauf der Songs mit gezielten Dynamikwechseln durchbrochen, wodurch spannungsgeladene Kontraste entstehen - Bedrohliche Bassgewitter und verzerrte Gitarrenwände verleihen dann der EP-" We're Going Places " ihre insgesamt melodramatische Stimmung. Abgründe tun und Einflüsse drängen sich auf, so daß man wohl mit Fug und Recht behaupten darf, das ein oder andere Radiohead -Album in den CD-Regalen der Bandmitglieder vorzufinden. Es gibt Ruhe, Trauer, Verzweiflung, Einsamkeit, wobei mir persönlich etwas der unbeschwerte Spaßfaktor fehlt. Zugegeben, ein eingängiger Indie-Popsong mit energiegeladenem Gitarrengeschrammel paßt nicht wirklich in das Gesamtkonzept dieser EP. Schön ist das verschleppte Piano im Song " The End ", der ohrwurmartig durch die Gehörgänge wandert und Hoffnung macht. Hoffnung, daß bald ein komplettes Album weitere Einblicke in die Schaffenskraft dieser jungen Band ermöglicht und man diese CD womöglich auch an Sommertagen genießen kann. " We're Going Places " hat Tiefgang, ist Winter-Stimmung, ruhig und gelassen kommt diese EP ohne bombastische Effekte aus. Behutsam wird die Spannung in den Songs aufgebaut, es finden sich immer wieder vorsichtige Ausbrüche, ohne aber jemals wirklich zu explodieren. Diese EP bietet feine Musik und sie ist zugleich ein Wagnis einer ambitioniert aufspielenden Band, die ihren eigenen Weg begeht ohne mit dem schnellen Erfolg zu liebäugeln. Man erkennt darin das musikalische Konzept und den künstlerischen Ehrgeiz von Vaccine , der die Band daran hindert einen banalen kommerziellen Rocksong abzuliefern. Diesen Gedanken und diese Band unterstützen wir gerne, hoffen aber gleichzeitig, daß sich neben Radiohead vielleicht auch mal Mew in den Plattenschrank der Band verirren möge. Die aktuelle EP kann auf den zahlreichen Konzerten der Band oder auf der offiziellen Homepage erworben werden. Auf der Webseite erfährt man dann auch, daß die Band gerade ein neues Demo aufgenommen hat. Diese Demo-EP trägt den Namen " Word Of Mouth " (06/2007) und alle 6 Songs können auf der Vaccine -Webseite komplett angehört bzw. runtergeladen werden. Update: Im Jahr 2009 haben Vaccine ihre letzte EP veröffentlicht - die mit den Radioteleskopen. Leider haben sich Vaccine im September 2009 offiziell aufgelöst.

[PoprockUnion - 04/2007-09/2009]


Bandmitglieder:  Jona (vocals, guitar, piano), Thom (guitar, vocals, keyboards), Antonio (bass, vocals), Fridolin (drums)

Musikstil:  Indiepop

Vergleichbare Bands:  Radiohead, Unbelievable Truth, Muse, Geneva , Slut


Ausgewählte Diskographie:

We're Going Places (EP, 2006) 
Word Of Mouth (EP, 2007)  
Vaccine (Mini-LP, 2009)


Song-Empfehlungen:

1. Living Through Wires
2. The End
3. This Machine
4. Lies
5. Pulling Teeth (Demo)







  • Fugazi

    Unsere Lieblingsvertreter des "Straight Edge" und natürlich auch des Independent-Gedankens im allgemeinen. Trotzdem hätte ich 1990 gerne ein T-Shirt gehabt, will aber im Nachhinein nicht undankbar erscheinen. Der Song "Waiting Room" ist wohl ihr größter Hit und gehört noch heute zum Standard-Repertoire eines guten Indie-DJs. Alternativ kann man sicherlich auch das scheinbar aktuellere "Furniture" nehmen, was jetzt aber nicht so interpretiert werden darf, als wären Fugazi die Modern Talking des DC-Hardcores.

     
  • Lucky Fish

    Man kennt sie ja und mag sie, die freundlichen Abijahrgang-Schülerbands von nebenan, die stundenlang über ihre neuesten Coversongs reden können oder darüber, daß sie auch schon ein paar eigene Songs geschrieben haben und im Moment eine Indie-Plattenfirma suchen. Wir, die Alten, Desillusionierten, Allesschonmaldagewesenen sind jedoch nur noch selten bereit, diesen Milchbartträgern ein echtes Lächeln zu schenken.

     
  • Feeder

    Harte Gitarren und schöne Melodien vermengen Feeder zu einer Art von Alternative Rock die man im Vereinten Königreich nicht so häufig antrifft. Wenn man also vergleichbare Bands finden will, dann eher in den USA, als in Europa. Dort findet man aber dann schon eine ganze Reihe der üblichen Verdächtigen in diesem Zusammenhang, wie beispielsweise die Foo Fighters, Everclear, Lit, Live, Urge Overkill etc.